Sechs Spieler ohne einzige WM-Minute
Klinsmann baut DFB-Elf um - Kahn steht als Kapitän im Tor
Berlin/Stuttgart - Fünf Wochen Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland haben aus den Nationalspielern Popstars gemacht. Völlig euphorisiert feierten rund 10.000 Menschen die DFB-Auswahl am Freitagabend beim Eintreffen in Stuttgart, wo heute (ab 21.00 Uhr) das Spiel um Platz drei gegen Portugal auf dem Programm steht.
Doch auch bei den neuen Lieblingen der Massen gibt es große Unterschiede. Denn für die deutschen Reservisten war es bei der WM fast unmöglich, in die Startelf zu gelangen.
"Keine Zweiklassen-Gesellschaft"
"Es gibt bei uns keine Zweiklassen-Gesellschaft", hat Bundestrainer Jürgen Klinsmann zwar betont. Doch die Realität sah anders aus. In den insgesamt 600 Minuten, die die deutsche Mannschaft auf dem Platz stand, kam nur Tim Borowski als "zwölfter Mann" mit 246 Minuten regelmäßig zum Einsatz. Frings-Ersatz Sebastian Kehl dagegen hatte vor den 120 Minuten beim Halbfinal-Aus gegen Italien gerade mal 23 WM-Minuten gespielt.
Sechs Spieler ohne einzige WM-Minute
Dahinter folgen David Odonkor (124 Minuten), Oliver Neuville (113), Roberth Huth (90) und Gerald Asamoah (17). Noch ohne eine einzige WM-Minute sind bisher sechs Akteure: Oliver Kahn, Timo Hildebrand, Thomas Hitzlsperger, Marcell Jansen, Mike Hanke und Jens Nowotny.
Doch gegen Portugal schlägt endlich die Stunde der Reservisten. "Wir müssen auf jeden Fall basteln", sagte Klinsmann angesichts der verletzungsbedingten Ausfälle von Michael Ballack, Arne Friedrich, Per Mertesacker und eventuell auch Borowski.
Zwar kommt ein komplettes Durchwechseln nicht in Frage, "denn wir wollen unbedingt gewinnen", so Klinsmann. Aber fest steht schon jetzt der Einsatz von Huth und Jansen, auch "Musterschüler" Hitzlsperger darf sich berechtigte Hoffnungen auf einen Platz in der Anfangsformation
machen.
Trotz persönlichen Frusts nie schlechte Stimmung
Eine Belohnung für die Arbeit der Ersatzspieler, die sieben Wochen intensiv mittrainierten und trotz des persönlichen Frusts nie für schlechte Stimmung sorgten. "Um die Stärke einer Mannschaft einzuschätzen, muss man auf die Spieler gucken, die nicht so zufrieden sind", sagte Chistoph Metzelder.
"Aber trotz ihrer persönlichen Enttäuschung verfolgen sie ein großes Ziel und stecken alle Energie in die Mannschaft." Klinsmann hatte im Gespräch mit Sport1.de zudem betont, dass er voll und ganz von den sportlichen Qualitäten überzeugt sei.
"Wir haben das Gefühl, dass wir jeden Spieler aus dem zweiten Glied bringen könnten und er würde sich reibungslos einfügen. Ob Thomas Hitzlsperger im linken Mittelfeld, Jens Nowotny in der Abwehr oder Sebastian Kehl im defensiven Mittelfeld, alle würden sofort ihren Job machen", sagte er.
Kahn steht als Kapitän im Tor
Das können die "Bankdrücker" gegen Portugal ihrem Chef beweisen. Allen voran Oliver Kahn. Als Belohnung dafür, dass er seine undankbare Rolle als Nummer zwei hinter Jens Lehmann so positiv ausgefüllt hat, kehrt der 37-Jährige heute zwischen die Pfosten zurück.
"Oliver wird im Tor stehen, weil wir es ihm gönnen und ihm viel zu verdanken haben. Er hat eine maßgebliche Rolle im Hintergrund gespielt. Es ist fantastisch, wie er es durchgezogen hat", erklärte Klinsmann.
Kahn freut sich auf seinen ersten WM-Einsatz seit dem 0:2 gegen Brasilien im Finale 2002.
"Ich sehe das Spiel überhaupt nicht als Almosen. Für mich hat auch der dritte Platz bei einer WM einen großen Wert", sagte der Bayern-Torwart, der die Mannschaft nach Ballacks Ausfall zudem als Kapitän aufs Feld führen wird.
Auch Nowotny vor dem Rücktritt
Sein 86. Länderspiel könnte zudem sein letztes sein, denn nach der WM wird er sicher nicht noch einmal hinter Lehmann auf der Bank Platz nehmen. Auch Nowotny wird aller Voraussicht nach seine Karriere im DFB-Team nach der Endrunde beenden.
Der Routinier war neben dem fünften Stürmer Hanke als vierter Innenverteidiger am weitesten von einem Einsatz entfernt. Dennoch hatte auch der Leverkusener bei seiner ersten WM-Teilnahme überhaupt maßgeblichen Anteil an der guten Stimmung in der Mannschaft.
Seine Begründung dafür galt wohl auch für einige andere Reservisten: "Für mich gibt es keinen Grund, frustriert zu sein. Denn mein größter Erfolg war es, überhaupt bei der WM dabei zu sein."
Quelle: AOL-News